Wie erstelle ich eine (orientalische) Choreografie?
Du möchtest endlich eine Choreografie erstellen, weißt aber nicht, wie du am besten vorgehst?
Du erstellst schon regelmäßig Choreografien, hast aber noch kein System dafür entwickelt bzw. bist mit den Ergebnissen oft unzufrieden?
In diesem Beitrag möchte ich dir zeigen, wie ich beim Erstellen von Choreografien für den Unterricht oder für Auftritte vorgehe. Diese Vorgehensweise hat sich seit über 20 Jahren für mich bewährt und vielleicht magst du dir das ein oder andere abschauen?
Klären der Voraussetzungen – was braucht es eigentlich?
Bevor du mit dem Choreografieren anfängst, solltest du dir bewusst sein, dass du je nach Anspruch an das Ergebnis (und auch je nach Anlass, für den du diese Choreografie entwirfst) bestimmte Voraussetzungen erfüllen solltest. Andernfalls wird das Ergebnis weder dich, noch deine Kursteilnehmer oder Auftraggeber befriedigen.
Was muss ich also sinnvollerweise gelernt haben, um eine Choreografie zu entwickeln, die dem Stil der Musik entspricht und in der ich Rhythmen sowie die einzelnen Parts der Musik gekonnt umsetze?
Welches Wissen und Können beeinflusst das Ergebnis?
Warum fällt es mir vielleicht so schwer, ein eigenes Stück zu kreiieren?
Rhythmen erkennen:
Steht für mich an erster Stelle, weil es manchmal einfacher ist, den Rhythmus zu erkennen, als den Takt wirklich auszuzählen. Anhand des Rhythmusmuster kannst du dann recht schnell die Taktart identifizieren und überprüfen.
Takt erkennen und auszählen :
Zumindest die gängigen geraden Takte solltest du identifizieren können. Bei einfacheren Stücken (z.B. Pop) genügen meist die 4/4-Takte, evt. noch 2/4- oder 8/8 (8/4)-Takte.
Grundwissen über den Aufbau arabischer Musik:
Je nach Komplexität der Musik und damit Schwierigkeitsgrad solltest du in der Lage sein, die verschiedenen Parts eines Stückes zu erkennen und damit das Musikstück einordnen zu können. Handelt es sich um einen Shaabi, ein klassisches Eingangsstück (Megance) oder gar Folklore? Wenn du dir nicht sicher bist, hole dir fachkundigen Rat.
Instrumentierung:
Du musst die auftretenden Leitinstrumente nicht benennen, aber heraushören und wissen, wie du sie umsetzen kannst.
Stilsicherer Einsatz von Accessoires (und Kostümen):
Einsatz von Accessoires an unpassnder Stelle oder gar zu unpassender Musik solltest du vermeiden. Entweder vor dem Einsatz eines Accessoires gründlich (am besten bei mehr als einer Quelle) informieren oder es im Zweifelsfall lieber weglassen. Es sei denn, du bewegst in der (Oriental) Fantasy-Sparte – da ist alles erlaubt ;).
Kostüm:
Vielleicht möchtest du ein bestimmtes Kostüm zu deiner Choreografie tragen? Es ist möglich, eine Choreografie für ein Kostüm zu schreiben oder aber ein Kostüm für eine Choreografie nähen zu lassen. Manche Kostüme weisen Besonderheiten auf, die du beim Choreografieren berücksichtigen kannst oder musst. Z.B. kann ich einen weiten Rock anders einsetzen, als einen schmal geschnittenen.
Anlass der Choreografie:
Den Anlass solltest du, wenn du die Choreografie nicht nur zum Spaß oder zur Übung entwirfst, unbedingt berücksichtigen. Beim Erstellen einer Auftrittschoreografie sind andere Dinge (Kostüm, Lichtsituation, Größe der Tanzfläche usw.) zu beachten, als beim Entwurf einer Choreografie für den Unterricht (Level der Teilnehmer, Bewegungsrepertoire, Unterrichtsziele usw.).
Auswahl der Musik
Zu allererst und ganz wichtig: Berücksichtige unbedingt deinen persönlichen Geschmack bei deiner ersten Choreografie. Je mehr Übung du im Choreografieren hast, umso leichter wird es dir fallen, auch Stücke, die nicht deinem Geschmack entsprechen, zu bearbeiten (wenn es denn sein muss ;)). Aber gerade zu Anfang suche dir eine Musik aus, die dich inspiriert.
Unterschätze den Schwierigkeitsgrad nicht. Eine Musik kann wunderschön sein, aber wenn du die Rhythmen und den Aufbau nicht erkennen kannst, kommst du nicht weiter. Wenn es aber trotzdem unbedingt diese Musik sein muss, suche dir Hilfe.
Stelle dir auch die Frage, ob dein Bewegungsrepertoire umfassend genug ist, um die von dir gewählte Musik stilsicher umzusetzen. Diese Frage stellt sich v.a. bei Folklorestücken.
Neue Musik für eine Choreografie finde ich so: Entweder höre ich eine schöne Musik und verarbeite sie dann, oder ich habe ein Thema im Kopf und suche eine passende Musik (häufig bei Unterrichtschoreografien oder Erweiterung des Auftrittsrepertoires). Letzterer Weg ist für mich der schwierigere, aber als Dozentin auch der häufigere.
Analysieren der Musik
Tipps für Ungeübte (je geübter du bist, desto mehr Schritte kannst du weglassen oder gleichzeitig abarbeiten):
- Höre die Musik mehrmals.
- Tanze sie, improvisiere – und lasse die Kamera laufen (damit kannst du schöne Bewegungskombinationen, die du später verwenden möchtest, festhalten).
- Versuche, die unterschiedlichen Parts/Themen und ihre Reihenfolge zu erkennen: Refrain, Strophen, Eingangs- und Ausgangspart, Trommelsolo, Akzente, folkloreähnliche Parts…
- Notiere Zeitintervalle: Welcher Part nimmt welches Zeitfenster ein?
- Identifiziere die Rhythmen – Rhythmuswechsel kündigen meist einen neuen Part an.
- Bestimme die Anzahl der Takte in jedem Part.
- Fasse mehrere Takte zu Melodieschleifen zusammen (meist 4, 8, 12, 16) oder, wenn du zuerst die Melodieschleifen erfasst hast, zähle jetzt ihre Takte aus. Welche Melodieschleifen finden sich in welchem Part? Solltest du die Parts anhand der Analyse der Schleifen nicht doch noch mal aufteilen? Gibt es Wiederholungen von Schleifen innerhalb eines Parts? …
- Notiere kleine Änderungen in den Melodieschleifen bei Wiederholungen. Hier hast du dann später einen Grund, auch Bewegungen zu variieren.
- Gibt es Akzente? Bestimme Häufigkeit, Tempo und Stärke (hier hilft mir Zeichnen oder Aufschreiben, z.B. „langsam, langsam, schnell“).
- Welches sind die tragenden Instrumente je Part/Melodieschleife? Wann wird der Rhythmus so stark, dass ich ihn explizit berücksichtigen muss?
Akzeptiere, dass du vielleicht nicht alle für das Choreografieren des gesamten Stückes notwendigen Informationen bei einem ersten oder zweiten (oder dritten…) Durchgang erhältst. Nicht entmutigen lassen – diese „Lücken“ kannst du trotzdem schön tanzen.
Für den Unterricht finde ich solche Lücken allerdings ziemlich unbrauchbar, weil ich evt. Rückfragen der Teilnehmer nicht beantwortet kann. Mag sein, dass es Teilnehmer gibt, denen das egal ist. Aber als Teilnehmerin würde es mein Vertrauen in die Dozentin erschüttern, wenn sie mir ein Musikstück nicht vollstänig erklären kann ;).
Choreografieren – die eigentliche Arbeit
Jetzt geht es an die Auswahl der Bewegungen und das Schaffen der Übergänge – das eigentliche Tanzen.
Das ist für mich persönlich der schwierigste Part. Weil es hier nicht mehr um Analyse, sondern Kreativität und Entscheidungen geht.
Davon ausgehend, dass du ein ausreichend großes Bewegungsrepertoire für die Komplexität der gewählten Musik beherrschst, würde ich jetzt ausprobieren. Improvisieren. Kamera mitlaufen lassen oder Stück für Stück tanzen und gute Ideen notieren. Dabei musst du nicht die eigentliche Reihenfolge einhalten. Beginne mit den Parts, die du sicher identifiziert hast, die die inspirieren, die besonders schön und klar für dich sind.
Entscheide, ob ein gewähltes Accessoire (oder gar Kostüm) von Anfang an zum Ausprobieren bzw. Überprüfen der Choreografie notwendig ist (Zimbeln kannst du z.B. auch später noch dazunehmen).
Für eine ganz einfache Unterrichtschoreografie, die die erlernten Bewegungen zusammenfassen und/oder einige neue lehren soll, lege vorher das Bewegungsrepertoire und die Zählzeiten pro Bewegung fest (damit bestimmst du u.a. das Tempo der Bewegung – das spielt im Unterricht eine wichtige Rolle). Bei entsprechend einfacher Musik und niedrigem Level, kannst du direkt auf dem Papier choreografieren (4 Grundschritte rechts, 4 links ;)). Überprüfe die Choreografieschrift anschließend Stück für Stück im Tanz (v.a. die Übergänge).
Beim Erstellen einer Auftrittschoreografie, kannst du Bewegungen und Kombinationen, die du unbedingt verwenden möchtest, ebenfalls vorab notieren und auszählen.
Du weißt nicht, wo du anfangen sollst?
Tanze die Melodieschleifen oder gar die ganzen Parts und probiere aus: Wenn es gut war, hinsetzen und notieren (oder gleich die Kamera mitlaufen lassen). Teste anschließend den choreografierten Abschnitt wieder und wieder, v.a. die Übergänge, und passe an.
Du kannst auch erst einmal Bewegungen zu den verschiedenen Parts notieren, von denen du glaubst, dass sie hier besonders gut passen könnten. Und dann ausprobieren. Das verhindert, dass du „immer das Gleiche“ tanzt.
Du hast zu einem Part gar keine Ideen? Dann notiere sämtliches Bewegungsmaterial, dass du hast und lose x davon aus. Und damit machst du dann weiter. Das kann auch helfen, Gleichförmigkeit in deiner Choreografie zu vermeiden.
Vorsicht ist allerdings bei Folklore geboten – hier sollten die Bewegungen überwiegend dem Stil entsprechen.
Wiederholungen von Parts auch erstmal als Wiederholungen tanzen, ändern kannst du diese Stellen später immer noch.
Am besten machst du immer erst eine Melodieschleife/einen Part fertig (das muss aber nicht unbedingt die erste sein). Solltest du gar nicht weiterkommen, gehe später noch mal daran und widme dich zwischendurch einfacheren Parts in der Musik. Strebe nicht nach Perfektionismus, das frustiert sehr schnell – Optimieren kannst du ja immer noch.
Probiere Varianten aus, prüfe Übergänge und Stimmigkeit mit der Musik, der geplanten Aussage und der Stimmung. Teste auch den Einsatz eines evt. geplanten Accessoires und notiere diesen ebenfalls.
Ich choreografiere gerne auf dem Papier oder beim langsamen Tanzen ohne Musik (dazu muss ich die Musik genau analysiert haben und gut kennen) und überprüfe, ob „alle Füße stimmen“ und der Takt gehalten wird. Auch sehr gut funktioniert: Improvisieren – Aufnehmen – Notieren.
Welcher Weg der beste für dich ist, hängt mit deiner Erfahrung und deinem Lerntyp zusammen. Je häufiger du choreografierst, desto leichter wird es dir fallen. Du wirst die Musik auch weniger häufig hören müssen, um alle Informationen zu erfassen. Also bleibe dran – wie immer beim Tanzen gilt: Üben, üben, üben!